Zur Ansiedlung und Assimilierung bei den Marchfeldkroaten

04.06.2010

Nikolaus Wilhelm-Stempin M.A. (München), 10.12.2005.

Das kroatische Siedlungsgebiet im heutigen Österreich umfasste auch große Teile im östlichen Niederösterreich, wie etwa im Wiener Becken, am Leithagebirge, nördlich von Stockerau, im Norden und Osten des Weinviertels sowie im Marchfeld. 



Unter den niederösterreichischen Dörfern war das Marchfeld das am kompaktesten mit Kroaten besiedelte Gebiet. Die meisten der einst kroatischen Ortschaften liegen im Süden und Osten des Marchfeldes und verbanden zusammen mit den Dörfern entlang des Grenzflusses March die Kroaten Mährens mit denen im heutigen Burgenland. Die Machfeldkroaten waren hierbei nicht als isolierte Sprachinsel zu verstehen, grenzte ihr Siedlungsraum doch an die übrigen Gebiete östlich der March (die Záhorie in der heutigen Slowakei) und südlich der Donau, die gleichwohl kroatisch waren.





Um das Jahr 1500 waren die meisten Dörfer im Marchfeld verödet, lediglich Weikendorf, Gänserndorf, Marchegg, Lassee und Wagram wurden noch bewohnt. Damit waren für die Grundherren die Voraussetzungen geschaffen, kroatische Siedler aufzunehmen (Schultes 1954, 31). Die Ansiedlung der Kroaten in dieser Region ist also wie in den übrigen Gebieten im 16. Jahrhundert anzusetzen, wenn auch nicht näher bekannt ist, wann genau die Flüchtlinge ihre Heimat verließen und aus welchen Teilen Kroatiens sie stammten. Bei dieser Ansiedlungswelle soll es sich nicht um eine große und organisierte Gruppe gehandelt haben, sondern um kleinere Gruppen, die sich während der Wanderbewegung in Richtung Mähren hier niedergelassen hatten (Pavličević 1994, 64). Als Ursprungsgebiet der niederösterreichischen Kroaten wird die Gegend um den kroatisch-bosnischen Grenzfluss Una angenommen. Das älteste Dokument aus dem Jahre 1524 enthält die Erlaubnis für die kroatischen Siedler, sich im heutigen Niederösterreich niederzulassen (Kučerová 1998, 111). Ein Teil der Machfeldkroaten soll zwischen 1565 und 1579 aus der Gegend um Velika Kladuša und Slunj eingewandert sein (Brabec 1966, 46).



Eine Voraussetzung für die Aufnahme neuer Siedler war der hier stattfindende Verödungsprozess auf dem Lande. Neben dem wirtschaftlichen Niedergang der Region begünstigten auch die Türkenkriege die Verödung ganzer Landstriche bis nach Niederösterreich hinein (Breu 1970, 41), wobei der zweite türkische Feldzug des Jahres 1683 das Marchfeld nicht mehr betraf (Brabec 1966, 53). Da die kroatischen Siedler in ihrer alten Heimat überwiegend als Landwirte tätig waren, bewohnten sie auch in Niederösterreich den ländlichen Raum und waren daher in den Städten, wie etwa in Marchegg, nie in großer Zahl vertreten (Brabec 1966, 47).

Neben den Kroaten ließen sich auch Zuwanderer aus anderen Teilen Niederösterreichs, aus Oberösterreich, Süddeutschland und den Niederlanden im Marchfeld nieder (Schilder 1970, 403). 



Die Ansiedlung der Kroaten in Orth an der Donau wird von Hůrský in das Jahr 1537 datiert, während andere Quellen dafür das Jahr 1529 ansetzen. Bereits ein Jahr später gründeten die Kroaten einen eigenen Ortsteil, der noch heute als „Kroatenzeile“ bekannt ist (Brabec 1966, 40). Neunzig Jahre später bestand der Ort aus zwei Gemeindehälften: der deutschen Gemeinde und der kroatischen Gemeinde, wobei die Deutschsprachigen eine relative Mehrheit stellten (Kučerová 1998, 112). Nach Kopfstetten, Pframa und Wagram an der Donau gelangten in den Jahren zwischen 1553 und 1557 Flüchtlinge aus Slawonien; Breitensee wurde 1579 kolonisiert, und Loimersdorf noch später (Kučerová 1998, 111).



Anders als im heutigen Burgenland, wo die Kroaten zumeist verödete Dörfer neu besiedelten, trafen die Siedler hier teilweise auf eine bereits vorhandene deutschsprachige Volksgruppe. In den meisten Ortschaften stellten die Kroaten daher nur eine (wenn auch starke) Minderheit. In der neuen deutschen Umgebung ist die Assimilierung dann auch am schnellsten eingetreten (Pavličević 1994, 64). Da die Kroaten im Marchfeld keine Dörfer neu gründen mussten, übernahmen sie die deutschen Ortsnamen – in ihrer Dialektform – und passten sie ihrer Sprache an, wie Bratisej (Breitensee) oder Praštiena (Breitstetten) (Brabec 1966, 33).





In Wittau sind schon um 1550 kroatische Einwohner belegt, in Eckartsau dagegen scheinen sie noch 1605 nicht im Urbar auf, obwohl sie später, im 19. Jahrhundert, eine Zweidrittelmehrheit hatten, woraus sich auf eine spätere Ansiedlung schließen lassen kann. Wann und woher diese Kolonisten kamen, ob aus anderen österreichischen oder ungarischen Kroatengemeinden, oder direkt aus Kroatien, ist unbekannt. Sicher ist, dass die Kroaten hier bereits 1666 in der Mehrheit waren. Pavličević vermutet, dass sich die Kroaten schneller vermehrten als die Deutschen, schließt aber auch spätere Siedlungswellen in die leeren deutschen Dörfer nicht aus (Pavličević 1994, 65).



Infolge eines nur zeitweiligen Aufenthaltes der Kroaten, die oftmals in andere Orte umzogen oder, in vereinzelten Fällen, zurück nach Kroatien gingen, kam es auch zu einem völligen Verlust von Ortschaften, wie etwa Helma bei Deutsch-Wagram. Die Siedlung war spätestens 1558 verödet (Breu 1970, 131).





Der Widerstand der niederösterreichischen Stände gegen die „Überfremdung“ ihres Lebensraumes, welche auch auf die starke Vermehrung der Kroaten im 16. Jahrhundert zurückzuführen ist, ließ nicht lange auf sich warten. Bereits 1572 organisierten sie eine Beschwerde mit dem Ziel, die weitere kroatische Zuwanderung aufzuhalten und die Kroaten künftig nicht mehr zu Richterämtern oder anderen Funktionen zuzulassen (Brabec 1966, 33).





Der kroatische Einfluss im Marchfeld war lange Zeit sehr stark, so dass sich sogar in deutschen Familien kroatische Vornamen durchsetzen konnten. Diese Tendenz setzte sich auch in den Dörfern jenseits der March fort (Schultes 1954, 21).



Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten sich bei den Kroaten im Marchfeld die kroatische Sprache und das Nationalbewusstsein halten, bevor es in weniger als fünfzig Jahren vollkommen verloren ging (Pavličević 1994, 66). Gerade aus jener Zeit liegen verschiedene Forschungsergebnisse vor, die belegen, dass die kroatische Einwohnerschaft noch bis etwa 1850 in großer Zahl im Marchfeld anwesend war. So nennt etwa Šember im Jahre 1845 eine Zahl von 6.171 Kroaten in 25 Siedlungen, Gyurikovits erwähnt 1847 für das gesamte Niederösterreich eine Zahl von etwa 5.000 Kroaten, zehn Jahre später geht Czoernig sogar von 6.460 Kroaten aus (Kučerová 1998, 109). Gyurikovits berichtet jedoch, dass die kroatischen Bewohner des Marchfeldes bereits deutschsprachig waren, was aber fünfzig bis sechzig Jahre früher noch nicht der Fall gewesen sei (Gyurikovits 1847, 17). Dass Gyurikovits keine Kroatisch sprechenden Marchfelder vorfand, führt Brabec auf das damalige Misstrauen gegenüber Personen, die sich mit dem Kroatentum beschäftigten, zurück. In der Tat sprachen die Kroaten damals neben Kroatisch auch Deutsch, da sie einige Jahrzehnte zuvor von Joseph II dazu genötigt worden waren (Brabec 1966, 51-52). Die Dörfer Zwerndorf, Breitensee und Loimersdorf waren noch 1845 rein kroatisch, Markthof eine kroatische Mehrheitsgemeinde mit deutscher Minderheit, während die übrigen Siedlungen überwiegend deutsch besiedelt waren, aber eine beachtliche kroatische Minderheit aufwiesen (Kučerová 1998, 110). 



Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts muss die kroatische Bevölkerung einem starken Assimilierungsdruck ausgesetzt gewesen sein. Aus diesem Grunde spricht Slavko Horvat bereits 1878 davon, dass nur noch in Engelhartstetten und in Loimersdorf Kroaten leben (Pavličević 1994, 66). Beschleunigt wurde die Assimilierung aber auch schon zu einem früheren Zeitpunkt: vor allem durch die Vermehrung der deutschen Volksschulen in der josephinischen Zeit (Schultes 1954, 21).



Folgt man den Berichten einiger Forscher, konnte sich das Kroatentum im Marchfeld am längsten in Loimersdorf halten, und zwar bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein, während es in den übrigen Gemeinden schon länger ausgestorben ist. Bis heute leben die Nachfahren der Marchfeldkroaten in den Dörfern, was bis heute an vielen kroatischen Familiennamen zu erkennen ist. Auch in Gemeinden, die nie als kroatisch galten, wie etwa Großenzersdorf, finden sich viele typische marchfeldkroatische Personennamen. Darüber hinaus können Flurnamen, wie z.B. „Kroatenäcker“ (nordwestlich des Dorfes Eibesbrunn), Hinweise auf eine weitergehende kroatische Besiedlung geben. 





Die Wissenschaft geht von 13 kroatischen Dörfern im Marchfeld aus: Orth an der Donau, Zwerndorf, Loimersdorf, Breitensee, Haringsee, Engelhartstetten, Mannsdorf an der Donau, Eckartsau, Wagram an der Donau, Pframa, Andlersdorf, Straudorf und Fuchsenbigl (Kučerová 1998, 109). Tatsächlich wiesen darüber hinaus noch etliche andere Gemeinden einen nicht unerheblichen Anteil kroatischer Einwohner auf. Im Einzelnen soll nun auf die Siedlungen des Marchfeldes und ihre einstige Bevölkerungsstruktur eingegangen werden:





ANDLERSDORF (Rozvrtnjak, auch: Stjevo): Die erste Erwähnung kroatischer Einwohner geht auf das Jahr 1568 zurück. Noch 1869 stellten hier die Kroaten die Mehrheit mit 152 Einwohnern gegenüber 36 Deutschen.





BAUMGARTEN an der March (Pangort na Moravi): In diesem nicht als kroatisch geltenden Ort tauchten im Jahre 1845 lediglich 15 Kroaten in der Statistik auf. Bei späteren Volkszählungen erwies sich die Gemeinde als rein deutsch.





BREITENSEE (Bratisej): Das Dorf wurde vermutlich um das Jahr 1579 neu bestiftet. Dass es sich bei den Siedlern um Kroaten handelte, gilt als sicher, da im 17. Jahrhundert ein kroatischer Pfarrer erwähnt wird. Noch bei der Volkszählung von 1869 stellten die Kroaten hier die absolute Mehrheit mit 373 Einwohnern gegenüber 45 Deutschen.





BREITSTETTEN (Bratštatin, auch: Praštiena): In den Urbaren der Jahre 1568 bis 1611 tauchen keine kroatischen Namen auf. Erst im Jahre 1644 wird ein Drittel der Namen kroatisch genannt. Die Festschrift der Pfarre Breitstetten aus dem Jahre 1984 gibt keinerlei Auskunft über eine etwaige Ansiedlung von Kroaten im Dorf.





ECKARTSAU (Katzer, auch Katse): Über die Ankunft kroatischer Siedlung in dieses Ortes gibt es keine Anhaltspunkte. Das Urbar von 1605 verzeichnet keinen einzigen kroatischen Familiennamen, während die Gemeinde bereits 1666 einen kroatischsprachigen Pfarrer benötigte. Nach Schilder hat Eckartsau in den Jahren 1851 und 1869 einen Anteil von 66 bzw. 70% Kroaten aufgewiesen. In Breus Statistik gibt es für das Jahr 1845 keinen kroatischen Einwohner, für 1869 aber 256 Kroaten und 110 Deutsche.





ENGELHARTSTETTEN (Poturna): Auch über Engelhartstetten liegen keine Angaben zur Siedlungsgeschichte vor. Es handelte sich in diesem Fall vermutlich immer um eine kroatisch-deutsche Mischgemeinde. Die Zahl der Kroaten war bereits im 19. Jahrhundert stark rückläufig, gleichzeitig hatte aber auch der Anteil der deutschen Bevölkerung abgenommen: 1851 lebten hier 353 Deutsche und 309 Kroaten, 1869 nur mehr 170 Deutsche und 228 Kroaten. Durch die stärkere Abwanderung der Deutschen stieg zumindest prozentual der Anteil der kroatischen Bevölkerung.





ESSLING: Diese Siedlung ist heute ein Dorf innerhalb des 22. Gemeindebezirks Wiens. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollen die Kroaten hier etwa 3/4 der Gesamtbevölkerung ausgemacht haben. Bei Breu findet sich hierfür keine Bestätigung.



FRANZENSDORF – früher Kimmerleinsdorf: Kroaten werden hier erst ab 1644 nachgewiesen. Aufgrund der nicht eindeutigen Besitzverhältnisse im Dorf, deren Einwohner unterschiedlichen Herrschaften unterstanden, ist aber nicht auszuschließen, daß es bereits im 16. Jahrhundert eine kroatische Bevölkerung gegeben hat. Brabec geht davon aus, daß die Kroaten vor 1683 etwa ein Viertel der Einwohner stellten. Über Volkszählungsergebnisse aus dem 19. Jahrhundert liegen hier keine Erkenntnisse vor. Franzensdorf dürfte aber zu dieser Zeit bereits assimiliert gewesen sein.





FUCHSENBIGL (Fukšpil): Diese Siedlung entstand erst sehr spät, nämlich bei der Auflösung des dortigen Meierhofes im Jahre 1789. Bauern aus den umliegenden Dörfern des Marchfeldes ließen sich hier nieder. Unter ihnen waren auch Kroaten. Ihre Zahl war aber immer sehr gering: 1845 fanden sich hier lediglich 14 Kroaten, ebenso viele waren es 1851 – neben 188 Deutschen, während 1869 nur noch 10 Kroaten neben 166 Deutschen hier lebten. Pavličević geht für einen nicht näher genannten Zeitpunkt des 19. Jahrhunderts von 47 kroatischen Einwohnern aus. 





GROISSENBRUNN (Kisiprun): In der Gemeinde waren die Kroaten vermutlich stets in der Minderzahl. Im 17. Jahrhundert begehrten die kroatischen Einwohner des Dorfes, man möge ihnen einen kroatischsprachigen Pfarrer zuteilen, da in Groissenbrunn und Markthof insgesamt 200 Einwohner lebten, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien. In Folge dessen kam es, wie in vielen anderen Gemeinden auch, zu einem Sprachenstreit. Da die Kroaten hier in der Minderheit waren, dürfte ihre Assimilierung relativ schnell abgeschlossen gewesen sein. Bei Brabec gilt Groissenbrunn im 19. Jahrhundert noch als eine kroatische Siedlung.





HARINGSEE (Horisej): Im Jahre 1605 sollen hier lediglich fünf kroatische Familien gelebt haben. Immerhin lernten die Schüler im 19. Jahrhundert an der örtlichen Schule kroatisches Liedgut, dennoch ist davon auszugehen, dass die Haringseer Kroaten immer in der Minderheit waren. 





HELMA bei Deutsch Wagram: Die Ortschaft Helma dürfte zwischen den Jahren 1455 und 1558 verödet sein. Dort soll ein Teil der Bewohner kroatisch gewesen sein. Heute besteht anstelle der Wüstung – neben einem älteren Gutshof – die erst im 20. Jahrhundert gegründete Siedlung Helmahof. Als Flurnamen sind noch die Bezeichnungen „Kroatenwiese“ und „Kroatenfeld“ Hinweise auf eine frühere kroatische Besiedlung.





KOPFSTETTEN (Guštatin, auch: Gošteta): Die Angaben über die Bevölkerungsverhältnisse in diesem Dorf sind teilweise sehr widersprüchlich: Breu erwähnt, dass im Jahre 1605 hier von 35 Häusern 30 kroatisch waren. Noch im 19. Jahrhundert stellten die Kroaten die Mehrheit im Dorf: 1851 lebten hier 166 Kroaten und 67 Deutsche, 1869 waren es 144 Kroaten und 60 Deutsche. Brabec wiederum gibt an, im Jahre 1605 hätten in Kopfstetten 250 Kroaten gelebt, der Anteil der Deutschen sei etwas höher gewesen. Bis heute blieben noch etliche kroatische Familiennamen erhalten.





LASSEE (Veliko Sjelo, auch: Lasej): Lassee wird nur bei Gyurikovits 1847 als kroatisch erwähnt. Laut Brabec sind noch im 20. Jahrhundert einige kroatische Personennamen vorzufinden.





LOIMERSDORF (Limištrof): Spekulationen von Schweickhard, Loimersdorf sei erst 1739 von Kroaten gegründet worden, weist Breu zurück. Die genaue Datierung der Ortsgründung ist dennoch unbekannt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sollen hier 900 Kroaten gelebt haben. Die Nachkommen der Kroaten sind weiterhin zahlreich vertreten, die Sprachkenntnisse sind jedoch vermutlich erloschen. Dennoch hat sich in Loimersdorf das Kroatische am längsten halten können: immerhin fand Schultes noch im Jahre 1954 acht Personen, die das Marchfeldkroatische beherrschten. Ein Jahr später, 1955, konnte auch Brabec noch einen Bewohner finden, der – wenn auch fehlerhaft – Kroatisch sprach.

Kroatische Flurnamen: u.a. deidje, podvornice, zadvornice, jamine, rimlak, zelini vrte, dolni lapti, struga, striki, grbe.





MANNSDORF (Selce, auch: Maštrof): Mannsdorf war laut Brabec eine Gemeinde mit kroatischer Minderheit, die etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausgemacht hatte. Breu geht für das Jahr 1600 von zwei Fünfteln kroatischer Familiennamen aus. Im 19. Jahrhundert jedoch stellten die Kroaten die Bevölkerungsmehrheit im Dorf: 1851 lebten hier 283 Kroaten und 69 Deutsche, 1869 waren es 290 Kroaten und 75 Deutsche.





MARKTHOF – früher Hof im Marchfeld (Hufak): Kroaten werden hier bereits 1639 erwähnt, die von der Kirche zusammen mit der Gemeinde Groissenbrunn betreut wurden. Im Jahre 1740 verweigerten die Hofer Kroaten dem deutschsprachigen Pfarrer Reichart die Gefolgschaft. Breu geht davon aus, dass hier immer nur eine kroatische Minderheit gelebt hat. 





ORTH an der Donau (Šari Grad): Nach der Brandschatzung des Ortes durch die Türken im Jahre 1529 wurde noch im selben Jahr mit der Wiederbesiedlung durch Kroaten aus Bosnien begonnen. Sie ließen sich ein Jahr später in dem Ortsteil nieder, der auch heute noch „Kroatenzeile“ heißt. Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieb Orth eine deutsch-kroatische Mischsiedlung. Die Volkszählung von 1851 weist 481 Kroaten neben 652 Deutschen aus, 1869 waren es 469 Kroaten und 620 Deutsche. 


PFRAMA (Frama): Im Jahre 1605 waren hier von 42 Häusern 32 in der Hand von kroatischen Familien. Bis ins 19. Jahrhundert stellten die Kroaten die Mehrheit im Dorf: 1869 lebten 133 Kroaten und 80 Deutsche in Pframa. Brabec fand in den 1960-er Jahren noch Nachkommen der kroatischen Einwohner, die sich erinnerten, dass ihre Eltern früher einmal kroatisch gesprochen hatten. 





PROBSTDORF (Pruštuof): Breu geht für das 16. Jahrhundert vom Bestehen einer kroatischen Minderheit aus. Schilder zählt Probstdorf ebenfalls zu den ehemals kroatischen Marchfelddörfern.





SCHLOSSHOF: Brabec gibt an, daß hier im Jahre 1869 neben 230 Deutschen eine Mehrheit von 530 Kroaten gelebt haben soll. Weder bei Breu noch bei Schilder finden sich irgendwelche Hinweise auf eine kroatische Bevölkerung.





SCHÖNFELD: Dieses Dorf gilt lediglich bei Breu als ehemals kroatisch. Nach dessen Informationen befand sich vermutlich um 1832 eine kroatische Mehrheit in Schönfeld, die aber schon 1851 nur mehr eine unbedeutende, stark assimilierte Minderheit war. Czoernig wiederum geht davon aus, dass es sich bei den Kroaten von Schönfeld nur um eine Einstreuung in ein ansonsten deutsch besiedeltes Dorf handelt.





STRAUDORF (Šarica): Die im 19. Jahrhundert ansässige kroatische Mehrheit (1869: 110 Kroaten zu 88 Deutschen) dürfte erst zu jener Zeit stark angewachsen sein. In Urkunden aus dem Jahre 1605 fand Breu kaum kroatische Familiennamen. Bei Brabec bleibt das Dorf zur Gänze unberücksichtigt.





UNTERSIEBENBRUNN (Dolnji Zibnbrun): Dieser Ort im nördlichen Marchfeld kann nicht als kroatische Gemeinde gelten, hat aber 1851 einen Bevölkerunganteil von 3 % Kroaten aufgewiesen. Šembera zählte 1847 lediglich 14 Kroaten im Dorf.





WAGRAM an der Donau – bis 1890: Kroatisch Wagram (Ogrun): Anfang des 17. Jahrhunderts sollen die Kroaten hier etwa die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht haben. 1869 jedenfalls stellten sie die Mehrheit im Dorf bei 188 Kroaten neben nur 30 Deutschen. 1966 fand Brabec keine kroatischsprachigen Einwohner mehr vor.





WITTAU (Vitava): In einer Urkunde aus dem Jahr 1550 sind neun kroatische Familiennamen belegt. Diese Minderheit dürfte sehr bald erloschen sein, da sich in der weiteren Literatur, aber auch in Bevölkerungsstatistiken, keine Hinweise auf kroatische Einwohner finden.





WITZELSDORF (Čistrof): In der Literatur gibt es keine Hinweise auf eine kroatische Bewohnerschaft, lediglich Gyurikovits zählte im Jahre 1847 Witzelsdorf zu den marchfeldkroatischen Dörfern. Auch Bernleithner erwähnte den Ort als einstmals kroatisch besiedelt, machte aber keinerlei Angaben zu ihrer Anzahl.





ZWERNDORF (Cvendrof): Nach Brabec lebten hier im 19. Jahrhundert 411 Kroaten und 155 Deutsche. Auch Breu bestätigt für dieselbe Zeit, dass Zwerndorf fast rein kroatisch war. Bei ihm findet sich die Angabe, dass im Jahre 1869 hier 411 Kroaten lebten, aber lediglich 10 Deutsche. Da 1595 noch alle Familien deutsche Namen führten, wird von einer späteren Einwanderung der Kroaten in diesen Ort ausgegangen.







Literatur:



1) Bernleithner, Ernst 1949: „Das Türkenjahr 1529 und die Marchfeld-Kroaten“, in: Unsere Heimat, Neue Folge, Band XX (1949), 1-12



2) Brabec, Ivan 1966: „Govor podunavskih Hrvata u Austriji“, in: Hrvatski dijalektološki zbornik, knjiga 2, Zagreb, 29-118



3) Breu, Josef 1970, Die Kroatensiedlung im Burgenland und den anschließenden Gebieten, Wien



4) Gyurikovits, Georg v. 1847, „Die kroatische Kolonie in Niederösterreich“, in: Österreichische Blätter für Literatur, Kunst, Geschichte, Geographie, Statistik und Naturkunde 4, Nr. 5/6 (1847), Wien, 17-19



5) Keck, Karl und Heinrich Weigl 1940: „Zur Frage der Kroatensiedlung im ehemaligen Niederösterreich“, in: Unsere Heimat, Neue Folge, Band XIII (1940), Nr. 8/9, 144-145



6) Kučerová, Kvetoslava 1998, Hrvati u srednjoj Europi, Zagreb



7) Pavličević, Dragutin 1994, Moravski Hrvati, Zagreb



8) Schilder, Otto 1970, Der politische Bezirk Gänserndorf in Wort und Bild, Gänserndorf



9) Schultes, Anton 1954, Die Nachbarschaft der Deutschen und Slawen an der March, Wien