»Österreichresolutionen« von drei Gemeinden im Jahr 1947

04.06.2010

Kaus, Dr. Karl, 09.05.2007.

Vor 60 Jahren, im Jänner 1947, bei den ersten Vorverhandlungen für einen österreichischen Staatsvertrag forderte Jugoslawien hohe Zahlungen, Gebietsabtretungen und die Rücksiedlung der burgenländischen Kroaten.

Bei den „Österreich-Verhandlungen“ in London, begonnen am 14.1.1947, den allerersten Gesprächen zur Vorbereitung eines Staats- und Friedensvertrages, präsentierte die jugoslawische Delegation am 16. Jänner 1947 ein „Memorandum der Regierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Slowenisch-Kärnten, die slowenischen Grenzgebiete der Steiermark und die Kroaten des Burgenlandes„. Darin wurden von Österreich Reparationszahlungen in Höhe von 150 Millionen Dollar, sowie sehr große Gebietsabtretungen in Südkärnten und in der Steiermark gefordert. Als Ausgleich für die damit verbundene Aussiedlung der betroffenen österreichischen Bevölkerung mit deutscher Sprache wurde ein Bevölkerungsaustausch mit den burgenländischen Kroaten verlangt.

Die Bekanntmachung des jugoslawischen Memorandums in den Abendnachrichten von Radio Wien am 16. Jänner 1947 um 20 Uhr verursachte in den kroatischen Gemeinden des Burgenlandes beträchtliche Aufregung. Vertreibung, Auswanderung, Heimatflucht und Umsiedlung von Volksgruppen waren im und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ungewöhnlich. Die jugoslawische Forderung wurde daher im Burgenland sehr ernst genommen. Von offizieller Seite bemühten sich Landeshauptmann Dr. Lorenz Karall, ein Kroate aus Großwarasdorf / Veliki Borištof, sowie der Nationalratsabgeordnete und Bürgermeister von Siegendorf / Cindrof, Stefan Springschitz, und der Landtagsabgeordnete und Bürgermeister von Steinbrunn / Štikapron, Fritz Robak, um einheitliche Gemeinderatsbeschlüsse als Grundlage für eine Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung. Der Gemeinderat von Baumgarten / Pajngrt trat am 23.1.1947 zu einer Sitzung zusammen und fasste nachstehenden Beschluss: Niederschrift aufgenommen in der am 23. Jänner 1947 stattgefundenen Sitzung des Gemeinderates von Baumgarten. Anwesend waren: Der Bürgermeister Johann Rojacz als Vorsitzender, der Vizebürgermeister Johann Pichler, Alexander Leeb, Robert Bauer, Josef Rojacz, Stefan Pichler, Karl Leeb, Stefan Reiff, Franz Zoklits, Franz Werba und als Schriftführer Franz Illedits. Der Bürgermeister begrüßt die Erschienenen, konstatiert die ordnungsgemäß erfolgte Einladung der Sitzung, deren Beschlussfähigkeit, eröffnet diese und ernennt zu Beglaubigern: Alexander Leeb und Stefan Pichler. Der Bürgermeister berichtet, daß er auf Anregung der Gemeindebevölkerung und auf deren Bitte sich gezwungen sah, im Interesse derselben heute diese Gemeinderatsitzung stattfinden zu lassen und hiemit den Willen der Gemeindebevölkerung kundzutun. Der Bürgermeister sagte weiter, daß Jugoslawien an die österreichische Regierung die Forderung gestellt habe, den burgenländischen Kroaten den vollen Schutz der nationalen Rechte zu gewähren bzw. einen Austausch derselben mit den in Jugoslawien lebenden Österreichern durchzuführen. Die burgenländischen Kroaten leben nun seit 400 Jahren im Burgenlande und sind seit dieser Zeit in keiner Weise von der hiesigen deutschsprachigen österreichischen Bevölkerung benachteiligt worden und haben seit jeher mit derselben in guter Freundschaft gelebt und von der Regierung sind ihnen immer die gleichen Rechte wie den anderen Österreichern zugeteilt worden, was auch dzt. immer der Fall ist. Der Gemeinderat fasste hierüber einstimmig folgenden Beschluß: Die Gemeinde Baumgarten hat immer treu dem österreichischen Staate gedient und ist ihre Bevölkerung seit ihres Bestehens in keiner Weise weder von der österreichischen Regierung noch von der deutschsprachigen österreichischen Bevölkerung benachteiligt worden. Die Bevölkerung verzichtet auf alle weiteren Erteilungen von nationalen Rechten als kroatische Minderheit und lehnt einstimmig und geschlossen einen Austausch mit den in Jugoslawien lebenden Österreichern ab. Die Beschuldigungen der jugoslawischen Regierung, daß die burgenländischen Kroaten terrorisiert und ihrer nationalen Rechte beraubt werden, sind vollkommen unrichtig, da die kroatische Bevölkerung von der österreichischen Regierung die vollen Rechte erhält und mit der deutschsprachigen österreichischen Bevölkerung immer in gutem Einvernehmen gelebt hat und auch weiterhin leben wird. Außerdem hat sich die kroatische Bevölkerung durch Verheiratung mit der deutschsprachigen österreichischen Bevölkerung rassisch so vermischt, daß von einem Kroatentum im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr zu sprechen ist. Die Bevölkerung ist einstimmig geschlossen gegen die jugoslawischen Forderungen und bittet hiebei die Bundesregierung um ihre Unterstützun g.g.g.g. Der Schriftführer: Illedits Franz

Der Bürgermeister:

Rojacz

Der Gemeinderat von Draßburg / Rasporak trat in der selben Angelegenheit am 25. Jänner 1947 zusammen: Niederschrift aufgenommen in der am 25. Jänner 1947 stattgefundenen Sitzung des Gemeinderates von Draßburg. Anwesend waren: Der Bürgermeister Alexander Horwath als Vorsitzender, der Vizebürgermeister Robert Steiner, Johann Knopf, Karl Schoredits, Jakob Steiner, Ferdinand Illedits, Stefan Wukovits, Matthias Wukovits, Franz Tomassovits, Josef Knopf, Matthias Lomoschitz, Alexander Marhold, Stefan Tomassovits und als Schriftführer Franz Illedits. Der Bürgermeister begrüßt die Erschienenen, konstatiert die ordnungsgemäß erfolgte Einberufung der Sitzung, deren Beschlußfähigkeit, eröffnet diese und ernennt zu Beglaubigern: Johann Knopf und Stefan Wukovits. Der Bürgermeister berichtet, daß er im Interesse der gesamten Gemeindebevölkerung diese heutige Gemeinderatssitzung einberufen hat, um gemeinsam mit dem Gemeinderat gegen die jugoslawischen Forderungen bzw. Beschuldigungen Stellung zu nehmen. Die jugoslawische Regierung fordert die volle Autonomie der burgenländischen Kroaten bzw. einen Austausch derselben. Der Gemeinderat fasste hierüber einstimmig folgenden Beschluß:Die burgenländischen Kroaten haben bis jetzt den vollsten Schutz der nationalen Rechte und die vollste Autonomie von seiten der österreichischen Regierung und von seiten der deutschsprachigen österreichischen Bevölkerung erhalten, was auch dzt. gegenwärtig immer der Fall ist. Die Bevölkerung der Gemeinde Draßburg ist seit jeher österreichisch gesinnt und als österreichisches Volk zu betrachten und weist geschlossen den Wunsch der jugoslawischen Regierung, betreffend die Gewährung von nationalen Rechten bzw. einen Austausch zurück. Die Bevölkerung verzichtet auf alle weiteren Erteilungen von nationalen Rechten als kroatische Minderheit und lehnt einstimmig und geschlossen einen Austausch mit den in Jugoslawien lebenden Österreichern ab. Die burgenländische kroatische Bevölkerung lebt bereits seit 400 Jahren mit den deutschsprachigen österreichischen Bevölkerung im guten Einvernehmen und hat von seiten der österreichischen Regierung immer die gleichen Rechte wie die deutschsprachige Bevölkerung erhalten. Außerdem hat sich die kroatische Bevölkerung durch Verheiratung mit der deutschsprachigen österreichischen Bevölkerung rassisch so vermischt, daß von einem Kroatentum im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr zu sprechen ist.Die Bevölkerung der Gemeinde bekennt sich einstimmig als österreichisches Volk und verbleiben wie immer treue österreichische Staatsbürger, lehnen somit alle Forderungen der jugoslawischen Regierung ab. In diesem Sinne bittet die Bevölkerung der Gemeinde Drassburg die Bundesregierung um ihre vollste Unterstützung.g.g.g. Rundsiegel Der Schriftführer: Illedits Franz

Der Bürgermeister:

Horwath

Die Beglaubiger: Knopf Joh.Wukovits St. Ebenfalls am 25. Jänner 1947 sprach sich der Gemeinderat von Siegendorf / Cindrof einstimmig gegen einen Bevölkerungsaustausch aus:Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der am 25.1.1947 im Gemeindeamte Siegendorfausserordentlichen Gemeinderatsitzung. Anwesende: Vizebürgermeister Josef Horwath, Gemeinderäte: Reimann Anton, Graschitz Anton, Milletits Johann, Reimann Peter, Barischitz Stefan, Franschitz Stefan, Sorger Franz, Schutzmann Franz, Kruisz Josef, Seewald Eduard, Wild Johann, Tomasovits Anton, Rosner Peter, Novak Thomas und Pinterits Johann. Gegenstand: Der Gemeinderat der Gemeinde befasste sich in seiner am 25.1.1947 stattfindenden ausserordentlichen Gemeinderatsitzung mit dem Bevölkerungsaustausch der Kroaten aus Burgenland nach Jugoslawien und fasste einstimmig nachstehenden Beschluss: Auf Grund mehrmaliger Verlautbarungen im Rundfunk und verschiedener Veröffentlichungen der Zeitungen, dass die Forderung Jugoslaviens den Bevölkerungsaustausch der Kroaten in Burgenland vorsieht, hat die Bevölkerung Siegendorfs in Unruhe versetzt. Der Gemeinderat stellte in der Sitzung fest dass uns volle sprachliche und kulturelle Rechte gewährt sind und bringt den Wunsch der Bevölkerung von Siegendorf zum Ausdruck, Österreicher zu verbleiben.Die Kroaten des Burgenlandes leben seit mehr als 400 Jahren im früheren ungarischen, jetzt österreichischen Staatsgebiet, haben bisher ihre Sprache, ihre Sitten beibehalten und waren stets mit dem österreichischen Volke wirtschaftlich und kulturell verbunden. Es besteht daher kein Anlass zum Bevölkerungsaustausch, weil im österreichischen Staatsverbande die Minderheitsrechte unseres Volkes immer genau beobachtet wurden, und die gleichen staatsbürgerlichen Rechte zugestanden waren und sind. So hatten die kroatisch sprechenden Gemeinden kroatische Seelsorger und Lehrer unterrichteten in kroatischer Sprache und hatten zu allen Schulen und Ämtern den gleichen Zutritt wie die deutsch sprechende Bevölkerung Österreichs. Sie konnten sich im ganzen Lande frei bewegen, hatten das gleiche Wahlrecht und waren ihrer Minderheitsrechte nie beraubt. Sie lebten mit der deutschsprachigen Bevölkerung des Landes in guter Freundschaft, welche heute noch unter ihnen besteht. Die Österreich-Deutschen und Kroaten haben untereinander geheiratet, sprechen die deutsche Sprache viel besser wie die Muttersprache und müssen erst im Falle eines Bevölkerungsaustausches die kroatische Sprache erlernen. Die gesamte kroatische sprechende Bevölkerung will daher weiter im Frieden in seiner bisherigen Heimat verbleiben und die im Staatsvertrage gewährleisten und bereits bestehenden Rechte als gleichwärtige, österreichische Staatsbürger geniessen. Möge unser Wunsch, in der bisherigen Heimat zu verbleiben, bei Abfassung des Staatsvertrages mit Österreich entsprechend berücksichtigt werden. Siegendorf, den 25. 1. 1947 Unterschriften der Gemeinderäte Seewald Eduard, Barisits Stefan, Rundsiegel

Der Vizebürgermeister

Horvath J.

Die uns heute teilweise ungewohnt dramatisch und übertrieben erscheinenden Ausdrücke und Formulierungen in dieser Niederschrift entsprachen dem damaligen Sprachgebrauch, wurden auch in anderen kroatischen Gemeinden gleich oder ähnlich beschlossen und der Bundesregierung übermittelt. Das am 29.1.1947 in London überreichte Memorandum der österreichischen Delegation enthielt daher die eindeutige Antwort auf die jugoslawische Note: Die österreichischen Bürger kroatischer Zunge im Burgenland fühlen sich mit der österreichischen Republik fest verbunden und lehnen den Gedanken der Umsiedlung in die jugoslawische Volksrepublik mit Entschiedenheit ab. Das Hauptanliegen Jugoslawiens war jedoch die große Gebietsabtretung in Kärnten mit den Städten Klagenfurt und Villach. Dass diese Ansprüche aber ausgerechnet in London gestellt wurden, bewies wenig diplomatisches Geschick. Kärnten und Steiermark gehörten nämlich zur britischen Besatzungszone und die Abtretung großer Teile davon hätte die festgelegte Zoneneinteilung Österreichs umgestoßen und die notwendigen Nachschublinien der Briten aus Italien beschränkt. Die Westalliierten lehnten daher die jugoslawischen Forderungen ab, auch die Sowjetunion zeigte sich reserviert. Mit der Garantie der Wiederherstellung der österreichischen Vorkriegsgrenzen im Jahr 1949 wurden die Gebietsansprüche Jugoslawiens endgültig aufgehoben. Damit endete auch die Forderung nach Bevölkerungsaustausch und Umsiedlung der burgenländischen Kroaten.

Quellen und Literatur:

Baumgarten – Gemeindearchiv: Sitzungs-Protokollbuch 1945 ff.

Draßburg – Gemeindearchiv: Gemeinderatsprotokollbuch, Sitzung v. 24.1.2007.

Siegendorf – Gemeindearchiv: Protokoll der außerordentlichen Gemeinderatsitzung am 25.1.1947.

Burgenländische Freiheit, 17.Jg., Nr.5, Eisenstadt 2.Februar 1947, S.1: Kroatenfrage im Burgenland.

Burgenländisches Volksblatt, 23.Jg, Nr.4, Eisenstadt 25.Jänner 1947, S.1: Die OeVP und die Kroaten.

Fritz R o b a k, Kroaten im Burgenland. Wien 1985, S.36 ff: Die „kroatische Frage“ auf der Londoner Konferenz 1947

Gerald S t o u r z h, Geschichte des Staatsvertrages 1945-1955. Wien-Graz-Köln 1980, S.22 ff.

Robert K n i g h t, Die Kärntner Grenzfrage und der Kalte Krieg. Carinthia I, 175.Jg.,Klagenfurt 1985,S.323 ff.

Claudia F r ä s s – E h r f e l d, Österreich-Jugoslawien 1945-1955: Jugoslawische Forderungen, Staatsvertragsverhandlungen. Carinthia I, 195.Jg., Klagenfurt 2005, S.547 ff.